Lieber Michael M.,

ich möchte Ihnen gerne auf Ihre Fragen antworten, indem ich Ihnen ein wenig von meiner eigenen Erfahrung, mit einem kleinen, namenlosen Kult im Allgäu erzähle:

Ich war in Ihrem Alter (26), als ich das erste Mal zu einer Gruppenmeditation ging. Hedi, damals meine beste Freundin, die mich dazu eingeladen hatte, kannte die Leute bereits. Ähnlich wie Sie es beschreiben, war auch ich von der liebevollen, offenen Art dieser Menschen beeindruckt. Die Erfahrungen in den Meditationen und die anschließenden Gespräche berührten mich tief. Es dauerte nicht lange und ich ließ kein Treffen mehr aus. Wollte mehr wissen, mehr spüren, ganz dem inneren Ruf folgen.

Aber war ich wirklich bereit den „Pfad der Erkenntnis“ zu betreten?

Eine große Entscheidung.

Konnte ich loszulassen, „alte Zöpfe abschneiden“ und mich auf eine Reise ins Unbekannte begeben?

Ja, ich war dazu bereit.

Es lag viel Arbeit vor mir: Der lange, mühevolle Weg der Selbsterkenntnis.

Ich wurde von einer Suchenden, zur Gerufenen, zum Lichtarbeiter, Kanalbauer, zum Krieger mit dem Lichtschwert. Ich hatte den Ruf vernommen. Jetzt musste ich antworten.

Meditationen, Selbstreflexion, Umsetzung des Gelernten im Alltag, permanente Analyse dessen, was ich aussende und was ich empfange, Gespräche - natürlich und an oberster Stelle, mit der „Meisterin“. Ach ja, hätte ich beinahe vergessen:

Viola, die Lehrerin, die uns auf dem Weg der Erkenntnis führte.

Natürlich mit den allerbesten Absichten.

Meditationen, Meditationen, Meditationen, Invokationen, Dreiecksarbeiten, Heilströmen, Atemübungen, Seminare, Seminare, Seminare, Lehrgänge, Vollmondmeditationen, astrologische Analysen, psychologische Analysen, Seminarreisen und 1001 Gespräche.

Die Basis der Viola-Lehre bildet die Mutter der New Age Bewegung:

Die Theosophie nach H. P. Blavatsky und ansonsten alles was sich da hineininterpretieren lässt.

Also fast alles.

Castaneda, war allerdings nicht dabei, der war Viola zu schamanisch, zu anthroposophisch und damit auf einer zu niedrigen Schwingungsebene.

Hier ein interessanter link zu Castaneda: https://www.youtube.com/watch?v=hlI2gvSjJ4Q.

Ja und dann natürlich das Leben in der Gemeinschaft:

Wir waren keine WG, sondern eine Lebensgemeinschaft - eine „NEUE Form des Zusammenlebens“.

Und das hieß ganz praktisch - noch mehr Gespräche und noch mehr Selbstreflexion und jetzt auch noch Fremdreflexion.

Ich im Spiegel des anderen. Der andere spiegelt sich in mir.

Ich und der andere auf „dem heißen Stuhl“. Gemeinschaft ist nicht einfach!

Bedingungslose Liebe, also Liebe ohne Bedingung.

Ich gehe auf im Wir bis es mich nicht mehr gibt.

Irgendwann bin ich dann ein einziger Scherbenhaufen.

Das Gruppen-Wir wird böse. Alle sind böse geworden im Laufe der Jahre.

Der heiße Stuhl macht böse. Kontrolle macht böse. Love-bombing macht auch böse. 1001 Gespräche machen böse.

Innerer Konflikt.

Die äußere Welt ist böse. Auch die innere Welt ist böse.

Die Schollen driften auseinander. Genau wie Viola gesagt hat.

Nur, ist Violas Scholle wirklich die Richtige? Will ich auf dieser Viola-Scholle sein? Will ich überhaupt ein Schollendenken?

Ich zweifle.

Ich habe Angst.

Womöglich war alles, was ich bei Viola gelernt habe ein riesengroßer Schmarrn.

15 Jahre.

Ich kann es nicht mehr unterdrücken.

Alles IST ein riesengroßer Schmarrn.

Befreiungskampf.

Auf allen Vieren rausgekrochen.

Endlich kann ich damit aufhören.

Erleuchtung.

 

Eine Meditationsgruppe muss kein Kult sein. Sie kann sich aber, ganz langsam und unmerklich zu einem entwickeln.

Ein Lehrer muss kein Guru sein, aber es gibt Menschen, die in einem entsprechenden Rahmen dazu werden können.

Ein Sinnsucher muss kein Kultanhänger sein. Er kann aber zu einem Verführten werden und zwar gerade, weil er kritisch, wissbegierig und handlungsbereit ist, sich für aufgeklärt und bodenständig hält.

Also, aufgepasst!

Mein Rat, viel, viel, viel und noch vielmehr Information und zwar vor allem alles was kontrovers zu dem steht, was Sie gerade besonders toll finden.

 

Viele Grüße

Sonja